MitteilungVeröffentlicht am 11. März 2025
Fragilität: zwischen Herausforderungen und Perspektiven. Drei Länder unter der Lupe
In Afrika zeichnet sich die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit durch das Engagement in fragilen und komplexen Kontexten aus. Drei Länder, drei Engagements, drei Berichte: Im Südsudan, in Burkina Faso und in der Demokratischen Republik Kongo leistet die Schweiz einen wichtigen Beitrag zu Frieden, Stabilität und Entwicklung.

Was versteht man unter fragilen Staaten? Hinter dieser Bezeichnung steckt eine komplexe Realität: Länder, deren Institutionen zu schwach sind, um ihrer Bevölkerung Sicherheit, Stabilität und eine gute Grundversorgung zu bieten. Grund für diese Fragilität sind meist interne Konflikte, ungenügende Gouvernanz, chronische Instabilität oder wirtschaftliche Krisen. In einem solchen Kontext werden Entwicklung und Wohlstand stark gebremst. Mehrere Länder, in denen die DEZA in Afrika aktiv ist, zu den fragilsten Ländern der Welt.
Was sind die Ursachen? Wie kann die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit auf diese vielfältigen Herausforderungen reagieren? Um die Herausforderungen und das konkrete Engagement vor Ort besser zu verstehen, schildern drei DEZA-Verantwortliche ihre Erfahrungen in drei besonders fragilen Ländern: Südsudan, Burkina Faso und Demokratische Republik Kongo.

Die von der DEZA unterstützte Organisation «Vétérinaires Sans Frontières Suisse» setzt sich in der Gegend um Ganyiel, Südsudan, für die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ein. — © DEZA Nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs wurde der Südsudan 2011 unabhängig. Es ist ein junger Staat, der nach Stabilität strebt. «Der Südsudan hat Mühe, seine nationale Identität zu finden. Hin- und hergerissen zwischen identitären Spannungen und Panafrikanismus fällt es ihm schwer, eine gemeinsame Vision aufzubauen», stellt Johan Gély, Leiter des Büros der DEZA in Juba, fest. Das Land steht grossen wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Herausforderungen gegenüber, und Lösungen lassen auf sich warten. Im Jahr 2024 waren 5,4 Millionen der insgesamt 13 Millionen Menschen im Südsudan, also fast die Hälfte der Bevölkerung, dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen (OCHA).
Das Land muss nicht nur auf die Notlage reagieren, sondern auch langfristig denken, um aus der Fragilität und der Armut herauszukommen. Trotz dieser grossen Herausforderungen fehlt es dem Südsudan an Visibilität. «Die Welt richtet ihre Aufmerksamkeit meist auf andere Krisenregionen», bedauert Johan Gély.
Engagement der Schweiz
Die DEZA ist seit über zehn Jahren vor Ort und verfolgt einen pragmatischen Ansatz. «Für uns stehen Zuhören, Respekt und Beharrlichkeit im Zentrum», betont Johan Gély. Die Schweiz führt gezielte Massnahmen durch, z. B. bei der Bekämpfung von Kinderehen. «Das ist ein wichtiger Ansatz für den Dialog mit der Regierung», so Johan Gély. Auch die Stärkung der Zivilgesellschaft, mit besonderem Fokus auf Frauen und Jugendliche als treibende Kraft des Wandels, sind zentrale Themen.
Der Nexus-Ansatz der Schweiz, der humanitäre Hilfe, Entwicklung und Friedensförderung vereint, bringt ebenfalls einige Herausforderungen mit sich. Zwischen den verschiedenen Akteuren kann es zu operativen oder ideologischen Differenzen kommen. Allerdings wurden neue Lösungen gefunden, insbesondere aufgrund des Primats der Menschenrechte, das die Akteure auf ein gemeinsames Ziel ausrichtet: den Schutz von gewaltbetroffenen Frauen. Das Engagement zu bündeln, erhöht die Flexibilität und Fähigkeit, auf die Bedürfnisse vor Ort zu reagieren, namentlich durch grundlegende Dienstleistungen wie Rechtsberatung, Gesundheitsversorgung, psychologische Betreuung und Berufsbildung.
Die von der Schweiz unterstützte Organisation «Vétérinaires Sans Frontières» trägt zur Friedensförderung bei, indem sie sich gezielt an junge Viehhalterinnen und Viehhalter richtet und humanitäre Hilfe, Friedensdialog und das Impfen der Tiere gegen schwere Infektionskrankheiten miteinander verbindet. «Besonders beeindruckt hat mich der inklusive Aspekt: Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt werden in einem ‹One-Health›-Ansatz vereint», erklärt Johan Gély. Das Projekt verhindert nicht nur die Übertragung von Infektionskrankheiten, sondern verbessert auch die Ernährungssicherheit der Gemeinschaften und den Zugang zur Gesundheitsversorgung. Zudem werden Massnahmen zur Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt und Hilfsangebote für Opfer umgesetzt.
Pragmatische und empathische Diplomatie
Einen Mehrwert sieht Johan Gély in der pragmatischen Diplomatie und den empathischen Partnerschaften der Schweiz. Der kontinuierliche Dialog und ihre Anpassungsfähigkeit gehören zu den Stärken der Schweiz. «Ich habe gelernt, ein ‹ungeduldiger Optimist› zu sein», schliesst Johan Gély. Man müsse ändern, was man ändern kann, und akzeptieren, was man nicht ändern kann.

Projekt für agropastorale Mediation: drei gemeinschaftliche Mediatorinnen und Mediatoren. — © Zentrum für humanitären Dialog (HD) 
Projekt für agropastorale Mediation: drei gemeinschaftliche Mediatoren. — © Zentrum für humanitären Dialog (HD) Seit mehreren Jahren steckt Burkina Faso in einer tiefgreifenden Krise: Die territoriale Integrität und die Grundrechte sind bedroht, die Gouvernanz mangelhaft, die Grundversorgung unzureichend und die Wirtschaft angeschlagen. Im Jahr 2024 waren 6,3 Millionen Menschen und damit fast ein Viertel der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen (OCHA). Wie kann man auf diese Situation reagieren, ohne die Entwicklungserfolge zu gefährden?
Engagement der Schweiz
«In einem so volatilen Kontext ist Agilität essenziell», erklärt Christian Eggs, Co-Leiter des Büros der DEZA in Ouagadougou. Um aktuell zu bleiben, passt die DEZA ihren Ansatz kontinuierlich an, beobachtet die Entwicklung des Kontexts und beurteilt ihre Kapazitäten und ihre Wirksamkeit. Stets verfolgt wird dabei der Nexus-Ansatz, der humanitäre Hilfe, Entwicklung und Friedensförderung vereint.
In Burkina Faso, wo die gesamte Gesellschaft und alle Institutionen von der Fragilität betroffen sind, stehen für die Schweiz Frieden, sozialer Zusammenhalt und Konfliktbewältigung im Vordergrund. «Das Engagement der DEZA in der zentralen Sahelzone hat sich in den letzten zwei bis drei Jahren sehr verändert. Wir haben die humanitäre Hilfe und die Friedensinitiativen ausgebaut und zugleich die Entwicklungsprogramme verstärkt, um den humanitären Bedarf langfristig zu senken und Konflikten vorzubeugen», sagt Christian Eggs. Dieser integrierte Ansatz ermöglicht es, sowohl die eigentlichen Konfliktursachen anzugehen als auch einen nachhaltigen Frieden zu fördern.
Christian Eggs berichtet von zwei besonders bedeutsamen Projekten: Das erste Projekt betrifft die Friedensförderung und den sozialen Zusammenhalt. Es soll die friedlichen und stabilen Rahmenbedingungen schaffen, die es für die Entwicklung braucht. Das Projekt unterstützt lokale Konfliktbewältigungsmechanismen, namentlich durch agropastorale Mediation. Ein Netzwerk aus mehreren Hundert Mediatorinnen und Mediatoren, die sehr gut in ihren Gemeinschaften verankert sind, setzt sich für die Prävention und Entschärfung von Konflikten ein, die oft mit der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen wie Wasser oder Land zusammenhängen. «Das Projekt setzt an der eigentlichen Ursache an und trägt dazu bei, grössere Konflikte zu verhindern», betont Christian Eggs.
Das zweite Projekt, «Studio Yafa», wird in Zusammenarbeit mit der «Fondation Hirondelle» durchgeführt. In diesem Rahmen werden zentrale humanitäre Informationen für Personen, die aufgrund der Sicherheitslage fliehen mussten, erarbeitet und über Gemeinschaftsradios verbreitet. «Vertriebenen eine Stimme zu geben und den Dialog der betroffenen Bevölkerung mit den Aufnahmegemeinschaften zu fördern, sind zwar bescheidene, aber wirkungsvolle Initiativen. Sie stärken den sozialen Zusammenhalt, das Zusammenleben und die Würde aller Betroffenen», hebt Eggs hervor.
Langjährige Erfahrung
«Die Schweiz strebt eine nachhaltige Wirkung an, die über die reine humanitäre Hilfe hinausgeht. Sie setzt sich für dauerhafte und tiefgreifende Veränderungen ein. Dabei stützt sie sich auf solide Beziehungen zu den lokalen Akteuren und umfassende Kenntnisse der Gegebenheiten vor Ort», erklärt Christian Eggs. «Die Stärke der Schweiz liegt in einer klaren Mission, die von den Zielen für nachhaltige Entwicklung geleitet wird.»

Die DDC unterstützt die Landwirtschaft und die Fischerei in der Region Kivu in der DRK, um die Lebensbedingungen der lokalen Bevölkerung und die Ernährungssicherheit zu verbessern. — © DEZA Seit drei Jahrzehnten befindet sich der Osten der DRK in einer Krisenspirale. 75 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze und über 7 Millionen Menschen sind Binnenvertriebene. Die Konflikte, die durch den Kampf um Bodenschätze und unzulängliche Gouvernanz noch verschärft werden, führen zu unermesslichem Leid. Der Ostkongo ist weltweit nach wie vor am stärksten von sexueller Gewalt betroffen.
Seit Ende Januar 2025 hat sich die Lage im Ostkongo durch die anhaltenden Kämpfe zwischen der von Ruanda unterstützten M23-Gruppe und den kongolesischen Streitkräften weiter verschlechtert. Seither kontrolliert die M23 Goma, die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu. Kurz darauf eroberte die M23-Gruppe auch Bukavu, die Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu. Die Auseinandersetzungen führten zu massiven Vertreibungen und einer zusätzlichen humanitären Krise, die zum bestehenden langjährigen Leid hinzukommt. Diese Krise hat auch Auswirkungen auf die Nachbarländer: Mehrere tausend Kongolesen und Kongolesinnen fliehen vor der Gewalt und suchen Zuflucht in Burundi.
Engagement der Schweiz
Vor diesem Hintergrund hat sich die Schweiz als flexible Akteurin erwiesen, die zum einen Nothilfe leistet (Schutz, Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung) und zum anderen die langfristige Entwicklung fördert. «Die Schweiz trägt zur humanitären Hilfe in den am stärksten von Konflikten und Naturkatastrophen betroffenen Gebieten bei. Gleichzeitig setzt sie sich in Gebieten, in denen die Situation weniger volatil ist, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und zur Verbesserung des Gesundheitssystems ein», berichtet Denise Lüthi, die von 2020 bis 2024 das Kooperationsbüro in Bukavu leitete. Parallel engagiert sich die Schweiz für den Frieden, indem sie die Konfliktursachen angeht und die Demokratisierung fördert. Dazu zieht sie insbesondere die lokalen Behörden stärker in die Verantwortung und verbessert den Zugang zu Informationen. «Wir arbeiten eng mit den NGOs und der Zivilgesellschaft zusammen», fügt Denise Lüthi an.
Die Kombination dieser Instrumente - humanitäre Hilfe, Entwicklung, Friedensförderung - erweist sich als besonders wirkungsvoll wie ein Ernährungsprogramm für Frauen und Kinder zeigt: Es umfasst dauerhafte Lösungen über landwirtschaftliche und wirtschaftliche Aktivitäten vor Ort. Ausserdem wird ein Gouvernanz-Projekt umgesetzt, das Massnahmen zur Konfliktprävention enthält. «Wir setzen auf Anwaltschaft, um die Wirkung unserer Arbeit auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zu verstärken», betont Denise Lüthi. «Die Zusammenarbeit mit der Schweizer Botschaft in Kinshasa rückt unsere Prioritäten ins Zentrum der Diplomatie», ergänzt sie.
Von ihrem ersten Besuch in der Region der Grossen Seen vor 20 Jahren blieb Denise Lüthi die Situation der Opfer von sexueller Gewalt – einem Kriegsinstrument – besonders im Gedächtnis. «Die Schweiz war eines der ersten Länder, das die überlebenden Frauen unterstützte», erinnert sie sich. Der psychosoziale Ansatz war dabei zentral. Trotz der bedeutenden Fortschritte bestehen nach wie vor Herausforderungen, insbesondere beim Zugang zur Justiz.
Starke Präsenz der Schweiz vor Ort
«Die starke Präsenz vor Ort unterscheidet die Schweiz von anderen Gebern», erzählt Denise Lüthi. Mit ihrem Kooperationsbüro in Süd-Kivu und ihrer Antenne in Nord-Kivu ist die Schweiz der Bevölkerung und den lokalen Partnern besonders nah, sodass sie die Projekte genau und regelmässig mitverfolgen kann. Auch der Nexus-Ansatz (humanitäre Hilfe, Entwicklung und Friedensförderung) unterscheidet die Schweiz von anderen Gebern und ermöglicht es ihr, rasch auf sich verändernde Dynamiken vor Ort zu reagieren.
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