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MitteilungVeröffentlicht am 18. Juli 2025

Kampf um Bodenrechte: Eine Dorfgemeinschaft in Laos gewinnt neues Selbstvertrauen

In Laos haben viele Menschen keine offiziellen Dokumente, die ihre Boden- und Landnutzungsrechte bescheinigen. Dadurch sind sie Landraub, Streitigkeiten und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen ausgesetzt. In der kleinen Gemeinde Ban Nam Deua lernen die Dorfbewohnerinnen und -bewohner dank eines Projekts der Schweiz ihre Rechte kennen und erfahren, wie sie ihre Zukunft mitgestalten können.

Ein Dorfbewohner meldet sich bei einer Veranstaltung zu Landrechten zu Wort.

Über zweihundert Dorfbewohnerinnen und -bewohner aus Ban Nam Deua versammeln sich früh am Morgen im Gemeindezentrum inmitten von Reisfeldern. Ein Blechdach schützt sie vor der Hitze. Einige kamen zu Fuss, andere mit dem Motorrad. Auf den blauen Plastikstühlen sitzen junge Mütter mit ihren Kleinkindern neben älteren Menschen und Entscheidungsträgern. Bevor die Versammlung eröffnet wird, richtet sich ein Moderator mit Mikrofon an die Anwesenden und fragt, ob jemand singen möchte. Als eine bekannte Melodie über den Karaokebildschirm ertönt, geht ein Lächeln durch die Menge. Aus einer Versammlung wird plötzlich ein fröhliches, fast familiäres Gemeinschaftserlebnis. Es ist der ideale Einstieg in ein so schwieriges Thema wie Bodenrechte.

In Ban Nam Deua ist Land nicht einfach Land. Der Boden ist die Lebensgrundlage der Menschen. Er ist wichtig für die Landwirtschaft, für die Nachkommen, für Stabilität. Dennoch hatten viele während Jahrzehnten keine Bescheinigungen für das Land, auf dem sie lebten, und kannten die Grenzen ihres Grundstücks und ihre Rechte kaum. Bei Streitigkeiten waren sie schutzlos. «Ich habe über Jahrzehnte das gleiche Grundstück bewirtschaftet», sagt Bounthanh Seephantha. «Doch eines Tages kam jemand, vermass mein Land, umzäunte es und erklärte mir, dass es nun ihm gehört. Mir fehlten das nötige Wissen und die Bodenrechte, um mich zu wehren.»

Ihre Freundin, Loun Makmanee, nimmt allen Mut zusammen, um nach Bounthanh von ihren Erfahrungen zu erzählen. «Ein Nachbar hat die Grenze seines Grundstücks zu meinen Ungunsten verschoben», sagt sie leise. «Aber ich wusste nicht, wie ich mich wehren sollte, also blieb ich einfach still.» Diese Frauen, aber auch andere benachteiligte Gruppen oder ethnische Minderheiten erheben nun langsam ihre Stimme. Durch ein verstärktes Bewusstsein für die eigenen Bodenrechte und Landnutzungsrechte wächst auch das Selbstvertrauen dieser Menschen. Selbst die, die vorher nichts sagten, kämpfen nun für ihr Land und ihre Zukunft.

Zwei Frauen bei einer Dorfversammlung in Laos.

Dieser Wandel geschah nicht über Nacht. Er ist das Ergebnis einer mehrjährigen Arbeit im Rahmen des von der Schweiz unterstützten Projekts «Public Information and Awareness Services for Vulnerable Communities» (PIASVC), das Helvetas in Ban Nam Deua mit der «Association for Development of Women and Legal Education» (ADWLE), einer von elf zivilgesellschaftlichen Organisationen in der Demokratischen Volksrepublik Laos, durchführt.

PIASVC soll mehr als 30 000 Menschen in acht Provinzen erreichen. Allein im Bezirk Pakkading sollen 6000 Menschen in 12 Dörfern einbezogen werden. Ziel ist es, mindestens 4100 Menschen ein stärkeres Bewusstsein für die Boden- und Landnutzungsrechte zu vermitteln.

Der Erfolg dieses Projekt liegt in den Händen vieler lokaler Akteure. 120 lokale Beraterinnen und Berater aus dem Bezirk Pakkading wurden geschult, um Versammlungen zu leiten, darunter Thongthee Douangdee. «Früher hätte ich mich nicht einmal getraut, ein Mikrofon zu halten. Heute leite ich Versammlungen und dies ist bereits meine vierte. Ich helfe Menschen bei Landkonflikten und bin stolz auf das, was ich erreicht habe.»

In diesem Bezirk gibt es heute mehr als 90 Personen, die über grundlegende Rechtskenntnisse verfügen und eine vertrauenswürdige Beratung in ihren Gemeinden anbieten können. Auch die dörflichen Schlichtungskomitees wurden gestärkt: In mehreren Schulungen wurden mehr als 100 Mitglieder, darunter über 30 Frauen, dazu befähigt, Streitigkeiten auf Dorfebene zu schlichten. Solche Lösungen sind leichter nachvollziehbar und geniessen mehr Vertrauen. «Wir führen nicht nur», sagt Dorfchef Bounlai Khamsoukthavong, «sondern wir begleiten und hören zu.» So hätten sie sich das nötige Vertrauen erarbeitet. «Die Menschen kennen nun verschiedene Formen der Landnutzung. Sie sprechen über das Erbe und darüber, dass sowohl der Mann als auch die Frau ein Landrecht erhalten soll. Auch in den Haushalten gibt es nun weniger Konflikte. Zudem konnte die Landnutzung im nahe gelegenen Schutzwald verbessert werden. Die Dorfbewohnerinnen und -bewohner wissen jetzt, wo sie sich aufhalten dürfen und wo nicht, und respektieren die Regeln», fügt er hinzu.

Dorfbewohnerinnen und -bewohner aller Altersgruppen füllen den Saal.

Der Wandel findet nicht nur in Ban Nam Deua statt. Er ist Teil einer umfassenderen, langfristigen Vision, die von der Schweiz unterstützt wird. Dabei geht es um Wissensaufbau der Gemeinschaften, rechtliche Befähigung, Landregistrierung, eine nachhaltige Bewirtschaftung und politische Reformen.

Während Projekte wie PIASVC das Bewusstsein schärfen und helfen, Streitigkeiten auf Dorfebene beizulegen, arbeiten andere von der Schweiz unterstützte Projekte an einer allgemeinen Verbesserung des Landsystems. So werden im Rahmen der Initiative «Enhancing Systematic Land Registration» (ESLR) die Landrechte systematisch formalisiert, und im Projekt «Land for Life» (L4L) wird eine produktive und verantwortungsvolle Landnutzung angestrebt, bei der die Gemeinschaften im Mittelpunkt der Investitionsentscheidungen stehen. Die Initiative «Mekong Region Land Governance» (MRLG) unterstützt diese Massnahmen, indem sie Raum für den Dialog schafft, traditionelle Landpraktiken anerkennt und politische Reformen in der Region fördert. Das Programm «Land Management and Decentralised Planning» (LMDP) hat jüngst dazu beigetragen, die Rechtssicherheit und die Landgouvernanz auf die Waldgebiete auszuweiten. Denn dort leben oft die am meisten gefährdeten Gemeinschaften.

Diese Bemühungen beruhen auf dem Ansatz der internationalen Zusammenarbeit der Schweiz, wonach es beim Bodenrecht nicht nur um rechtliche Aspekte geht, sondern auch um den sozialen Zusammenhalt, die Gleichstellung der Geschlechter, wirtschaftliche Chancen und Klimaresilienz. Die Stärkung der Landgouvernanz von den Haushalten bis hin zur nationalen und regionalen Ebene bedeutet, dass Menschen wie Bounthanh, die sich einem Landkonflikt stellt, oder Thongthee, die eine Versammlung leitet, an einer grösseren Veränderung teilhaben, die darauf abzielt, die Landsysteme gerechter, transparenter und wirklich integrativ zu gestalten. Die Arbeit der Schweiz ist also nicht nur für den Fortschritt in der Region von entscheidender Bedeutung, sondern auch dafür, Verbesserungen dort zu unterstützen, wo sie am wichtigsten sind.

Bis zum Ende der Versammlung ist der Gemeindesaal bis auf den letzten Platz besetzt. Die Kinder rennen an den Flipcharts vorbei, während die Bäuerinnen und Bauern an der Tür ruhig plaudern. Loun, die neben ihrer Freundin steht, lächelt und sagt: «Wir sind nur einfache Menschen. Aber jetzt wissen wir mehr. Das bedeutet, dass wir langsam aus der Dunkelheit hervorgetreten sind, und es nun ein wenig heller wird.»

Kontakt

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)
Eichenweg 5
3003 Bern