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MitteilungVeröffentlicht am 19. August 2024

Lokale Entwicklung und Naturschutz: It’s a Match!

Naturschutz und die Nutzung natürlicher Ressourcen für wirtschaftliche und soziale Zwecke gelten oft als unvereinbar. Landschaften können jedoch so bewirtschaftet werden, dass sie gleichzeitig mehreren Zwecken dienen. Das Naturschutzprogramm in Nordmazedonien hat klar gezeigt, wie sich Naturschutz und lokale Entwicklung gegenseitig verstärken können.

Eine Frau, die Mitglied des Vereins «Honey East» ist, sitzt auf einer Wiese vor Bienenstöcken.

Nordmazedonien ist mit 16 000 wildlebenden Arten ein europäischer Hotspot der biologischen Vielfalt. Insbesondere die Region Bregalnica verfügt über eine ausserordentliche Biodiversität, die es zu erhalten gilt. Gleichzeitig soll für die lokale Bevölkerung ein wirtschaftlicher Nutzen entstehen.

Das im Jahr 2012 in der Region begonnene Naturschutzprogramm wurde 2023 erfolgreich abgeschlossen. Dabei kam ein so genannter Landschaftsansatz zu Einsatz, mit dem die Interessen unterschiedlicher Nutzerinnen und Nutzer auf partizipative Weise berücksichtigt werden. Es entstanden Partnerschaften mit 15 Gemeinden, dem Privatsektor, der Regierung und der Zivilgesellschaft. Während der ersten vier Jahre war Helvetas Swiss Intercooperation für die Koordination des Programms zuständig, danach wurde diese Funktion erfolgreich an das lokale Unternehmen Farmahem übergeben.

Landschaftsansatz

Angesichts des zunehmenden Drucks auf die Landschaften rund um den Globus gewinnt der Landschaftsansatz in der nachhaltigen Entwicklung an Bedeutung. Er anerkennt die Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur an Orten der produktiven Landnutzung und zielt darauf ab, die Interessen aller Beteiligten und die Erhaltung der biologischen Vielfalt in Einklang zu bringen. Der Landschaftsansatz beruht auf zehn Grundsätzen: Adaptives Management, gemeinsame Anliegen, unterschiedliche Ebenen, vielfältige Nutzungen und Bedürfnisse, gerechte Verwaltung, transparenter Wandel, klare Rechte und Pflichten, partizipatives Monitoring, Resilienz und Stärkung der Kapazitäten.

Die Basis

Vor 2012 war nur wenig über die biologische Vielfalt im Osten Nordmazedoniens bekannt. Im Rahmen des Projekts wurde eine ökologische Gap-Analyse erstellt, um die biologische Vielfalt, die Existenz seltener Arten und ihre Lebensräume zu erfassen. Die Ergebnisse wurden in einer «Ecological Sensitivity Map» veranschaulicht.

Ein Reiher steht in einem Reisfeld in der Region Bregalnica.

Die Bergregionen Osogowo und Maleševo wurden während der Projektlaufzeit als offizielle Schutzgebiete anerkannt. Dadurch stieg die Gesamtfläche der Naturschutzgebiete in Nordmazedonien von 8,9 auf 11,2 Prozent. Ausserdem wurden drei Gebiete in das EU-weite Netz von Schutzgebieten «Natura 2000» aufgenommen. Auf einer Länge von 15 Kilometern wurde die Ufervegetation wiederhergestellt, was die Gefahr von Überschwemmungen und Bodenerosion verringert und zum Schutz der Artenvielfalt beiträgt.

Gemeinsame Interessen

Zu Beginn des Programms war der Naturschutz kein gemeinsames Anliegen. Die Abwanderung aus östlichen Region hingegen – insbesondere aus ländlichen Gebieten – einte die verschiedenen Gruppen. Hauptgrund für diese Entwicklung ist der Mangel an Arbeitsmöglichkeiten und gut bezahlten Jobs. Jüngere Menschen ziehen weg und eine immer ältere Bevölkerung bleibt zurück. Weil die alten, arbeitsintensiven Methoden der Landbewirtschaftung langsam verschwanden und ein Flickwerk an unterschiedlichen Ansätzen der Landnutzung entstand, litten sowohl die Lebensräume als auch deren biologische Vielfalt. Gleichzeitig nahmen die Bedrohungen durch Landschaftsbrände, Überschwemmungen und Bodenerosion zu.

Die Herausforderung für das Projekt bestand darin, den Lebensunterhalt der ländlichen Bevölkerung durch ein nachhaltiges Ressourcenmanagement zu sichern. Die Erkenntnis, dass sich Naturschutz und wirtschaftlicher Wohlstand gegenseitig verstärken, steigerte auch die Bereitschaft der Beteiligten, sich zu engagieren.

Die Teilnehmenden eines Stakeholder-Workshops sitzen an einem Tisch.

Im Rahmen des Projekts wurde das Engagement der Beteiligten nicht nur durch Workshops und Massnahmen zum Kapazitätsaufbau gefördert, sondern auch durch eine kontinuierliche Sensibilisierung der Bevölkerung für die Rolle der Natur und das damit verbundene Potenzial zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Tourismus und in der nachhaltigen Landwirtschaft. Bei einem Pilotversuch wurde ein kleines wettbewerbsorientiertes Subventionsprogramm eingeführt, das Initiativen in den Bereichen Naturschutz, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Energieeffizienz finanzierte. 36 Vorhaben wurden ausgezeichnet, von denen fünf eine Up-Scaling-Finanzierung erhielten. Ausserdem trug der Austausch mit Studierenden, Dozierenden und Fachleuten aus der Schweiz dazu bei, dass Biodiversitätsthemen in die Lehrpläne der forstwissenschaftlichen Fakultäten Nordmazedoniens aufgenommen wurden. Schliesslich wurde ein Schulungszentrum für Naturschutz eingerichtet, das mit Schulen, Fakultäten, dem Privatsektor und Bürgervereinigungen zusammenarbeitet. Auf diese Weise konnte das Bewusstsein für den Wert der Natur und für eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung in der Region Bregalnica gestärkt werden.

Neue Entwicklungsmöglichkeiten

Eine florierende Artenvielfalt ermöglicht neue Wirtschaftsaktivitäten. Unterstützt wurden insbesondere Projekte zur Förderung des Ökotourismus in den neuen Schutzgebieten. Indem diese Projekte Arbeitsplätze und wirtschaftliche Perspektiven schaffen, können lokale Traditionen und das kulturelle Erbe bewahrt und die Abwanderung gestoppt werden. Die Nachfrage nach Ökotourismus nimmt in der Region Bregalnica weiter zu.

Eine Gruppe von Fahrradtouristen ist im Schutzgebiet Maleševo unterwegs.

Die nachhaltige Bienenzucht ist ein weiterer Entwicklungsansatz des Projekts: 36 junge arbeitslose Personen (30 % Frauen) wurden darin ausgebildet, und es wurde eine Kerngruppe «Honey East» mit 30 Mitgliedern gegründet. Diese Kerngruppe entwickelte das erste zertifizierte Ausbildungsprogramm für nachhaltige Bienenzucht im Land. Es verfügt über ein Bienenhaus und ein Schulungszentrum. 49 junge Menschen haben bislang die Ausbildung abgeschlossen und wenden nachhaltige Imkereimethoden an. Der Verein «Honey East» erhielt ein Zertifizierungslabel und verfügt über ein internes Kontrollsystem für nachhaltige Bienenprodukte. In der Region wurden Werbeveranstaltungen wie Honigtage und der Internationale Bienentag organisiert.

Eine Imkerin des Vereins «Honey East» hält ein geöffnetes Glas Honig in der Hand.

Honeyland

Ein Beispiel für die Sensibilisierung der Bevölkerung im Rahmen des Programms ist der Dokumentarfilm «Honeyland» (Land des Honigs) über das Leben der letzten Wildbienenzüchterin in Europa. Der Film gewann weltweit über 40 Preise und wurde in zwei Kategorien für einen Oscar nominiert.

Solide Grundlage für die Zukunft

Das Naturschutzprogramm initiierte einen Multi-Stakeholder-Dialog auf allen Ebenen, von der lokalen bis zur nationalen, involvierte über 150 verschiedene Stakeholder und trug so zu guten Beziehungen, gegenseitigem Verständnis und verbesserten Kapazitäten der Stakeholder bei. Deshalb steht die Zusammenarbeit in der Region Bregalnica auch nach Abschluss des Projekts auf einer soliden Grundlage, was dem Erhalt der biologischen Vielfalt dient und der lokalen Bevölkerung wirtschaftliche Vorteile verschafft.

Die Schweiz setzt sich in Nordmazedonien weiterhin für den Naturschutz und die Biodiversität ein, wobei der Fokus auf der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels und der Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen liegt.

Kontakt

Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA)
Eichenweg 5
3003 Bern