Starke Allianz: Schweizer NGO bündeln ihre Kräfte zur Bewältigung der Klimakrise in Bangladesch
Bangladesch zählt zu den Ländern, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Wegen des steigenden Meeresspiegels ist ein Fünftel des Landes von ständiger Überschwemmung bedroht. Gefährdet sind auch die Ernährungssicherheit und der Zugang zu sauberem Wasser. Zudem treten Wirbelstürme immer häufiger auf und nehmen an Intensität zu. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, haben neun Schweizer NGO, ihre lokalen Partner und die DEZA ihre Kräfte gebündelt und das Programm «Climate Action at Local Level (CALL)» (Klimaschutz auf lokaler Ebene) lanciert.
Der Klimawandel zählt zu den grössten globalen Herausforderungen. Er verschärft Ungleichheiten und trifft gefährdete Länder und Bevölkerungsgruppen unverhältnismässig stark. Die Auswirkungen sind weitreichend: Unberechenbare Wetterverhältnisse bedrohen die Nahrungsmittelproduktion, und der ansteigende Meeresspiegel führt zu katastrophalen Überschwemmungen. In Bangladesch mit seinen 174 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern sind vor allem arme ländliche Gemeinden, indigene Minderheiten und Frauen betroffen, deren Lebensgrundlagen, Gesundheit und Sicherheit gefährdet sind. Das Land, das auf Platz 7 des Globalen Klima-Risiko-Index der am stärksten gefährdeten Staaten liegt, wird häufig von extremen Wetterereignissen heimgesucht, was zeigt, wie dringend kollektive Massnahmen sind.
Keine Organisation kann solche Herausforderungen allein bewältigen. Daher prüfte die Schweizer Botschaft in Bangladesch gemeinsam mit neun Schweizer NGO und lokalen Partnern, wie die am meisten vom Klimawandel betroffenen Gemeinschaften am besten unterstützt werden können. Dies führte zur Gründung eines neuen Konsortiums namens «Climate Action at Local Level» (CALL). Im Rahmen dieses Kooperationsprogramms gehen die Schweiz, Schweizer NGO und lokale Partner klimabedingte Herausforderungen in den am stärksten betroffenen Gebieten Bangladeschs gemeinsam an.
Austausch von Wissen, Kompetenzen und Ressourcen
Der Klimawandel ist ein komplexes Thema mit vielschichtigen, miteinander verknüpften Herausforderungen in verschiedensten Bereichen von Gesundheit über Migration bis hin zu Lebensgrundlagen und Umweltzerstörung. Dies erfordert einen umfassenden Ansatz, der auf dem Fachwissen unterschiedlicher Organisation aufbaut, die ihre spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit den verschiedenen Dimensionen der Krise einbringen. Dank ihrer Zusammenarbeit können die NGO effizientere und umfassendere Massnahmen treffen, die alle Aspekte des Klimawandels und dessen Auswirkungen auf gefährdete Gemeinschaften berücksichtigen.
Bisher arbeiteten die Schweizer NGO unabhängig voneinander und konzentrierten sich jeweils auf bestimmte Bereiche der Klimaproblematik, z. B. Existenzsicherung, Migration, saubere Energie oder Gesundheit. Dank dem Konsortium können sie ihr Fachwissen nun bereichsübergreifend bündeln und Wissen, Fähigkeiten und Ressourcen gemeinsam nutzen. Dies ermöglicht ein ganzheitliches, koordiniertes Engagement, das verschiedenste Aspekte abdeckt, vom Katastrophenrisikomanagement bis hin zum Aufbau einer klimaresistenten Infrastruktur und der nachhaltigen Verbesserung der Lebensgrundlagen. Ziel ist es, ein wirksameres und umfassenderes Unterstützungspaket für die betroffenen Gemeinschaften bereitzustellen, indem die vielen eng verflochtenen Probleme im Zusammenhang mit dem Klimawandel gemeinsam angegangen werden.
Vielversprechendes Modell
Was die verschiedenen Organisationen des Konsortiums verbindet, ist ein menschenrechtsbasierter Ansatz mit der gemeinsamen Verpflichtung, zusammen mit den lokalen Gemeinschaften Lösungen zu konzipieren und umzusetzen und sie ihnen nicht von aussen aufzuzwingen. Durch die Erarbeitung von Lösungen mit den Gemeinschaften bewirkt CALL ein inklusiveres und gerechteres Engagement zur Bewältigung des Klimawandels, das lokale Menschenrechtsanliegen berücksichtigt und gleichzeitig die vielschichtigen Herausforderungen der Klimakrise angeht. Die Kombination aus koordiniertem Fachwissen, menschenrechtlicher Verankerung und lokaler Eigenverantwortung könnte als Vorbild für andere ähnlich verwundbare Regionen oder Länder dienen, was umfassendere und resilientere Klimaschutzmassnahmen weltweit vorantreiben könnte.
Unterstützung der «Unberührbaren» im Kampf gegen den Klimawandel
Im Norden Bangladeschs leben die ethnischen Minderheiten der Dalit und Adibashi am Rande der Gesellschaft. Sie werden sozial, wirtschaftlich und politisch diskriminiert und profitieren kaum vom Wirtschaftswachstum des Landes. Ihre schwierigen Lebensbedingungen werden durch die Auswirkungen des Klimawandels noch verschärft. Im Rahmen von CALL setzt HEKS das Projekt THRIVE um, dessen Ziel es ist, die Resilienz dieser Gemeinschaften gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu stärken. Zu den wichtigsten Massnahmen gehören die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, Anstosshilfen und der systematische Zugang zu Rechten und Möglichkeiten. Die Gemeinschaften werden dadurch insgesamt in die Lage versetzt, mit den Auswirkungen des Klimawandels umzugehen und gleichzeitig eine nachhaltige Entwicklung anzustreben.
GAIN ist eine in der Schweiz ansässige Stiftung, die 2002 im Rahmen der UNO gegründet wurde, um das Leid von Menschen, die unter Mangelernährung leiden, zu lindern. In Zusammenarbeit mit Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft will GAIN die Lebensmittelsysteme so umgestalten, dass alle Menschen, insbesondere die Schwächsten, mit nahrhafteren Lebensmitteln versorgt werden. Die Projekte RAINS (Diversified Resilient Agriculture for Improved Food and Nutrition Security) und CRAFTS (Climate-Resilient Agro-Food Transformation Systems) entwickeln klimaresistente und ernährungssensible Lebensmittelsysteme durch Technologietransfer und die Befähigung lokaler Gemeinschaften, in Planungs- und Umsetzungsprozessen mit lokalen Behörden zusammenzuarbeiten.
Die Klimakrise bedroht das Leben und die Lebensgrundlagen vieler Gemeinschaften. Mit dem Programm ACCESS und dem Projekt SHINE unterstützt Helvetas die Rohingya-Flüchtlinge und die Aufnahmegemeinschaften in Bangladesch. ACCESS beruht auf drei Pfeilern:
Stärkung der Anpassung an den Klimawandel und des Katastrophenrisikomanagements
Förderung von Klimagerechtigkeit und Gouvernanz
Sicherstellung eines inklusiven Zugangs und nachhaltiger Wasserdienstleistungen
Das Projekt SHINE umfasst Massnahmen zur Stärkung der Resilienz der Rohingya und der lokalen Gemeinschaften gegenüber Naturkatastrophen, zur Verbesserung der wirtschaftlichen Perspektiven und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts.
In Bangladesch arbeiten 3,5 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren, wovon 1,8 Millionen als Kinderarbeiterinnen und -arbeiter gelten. 1,1 Millionen üben gefährliche Arbeiten aus. Wegen des Wirbelsturms von 1991 und anderer Katastrophen sind in den letzten zwanzig Jahren viele Menschen in die Gebiete Chattogram und Cox’s Bazar migriert. Um die Auswirkungen des Klimawandels und von Katastrophen bewältigen zu können, lassen immer mehr Familien ihre Kinder unter gefährlichen Umständen arbeiten.
Solidar Suisse hat in Zusammenarbeit mit dem lokalen Partner YPSA das Projekt Free Kids ins Leben gerufen, um nachhaltig gegen Kinderarbeit vorzugehen. Dieses Projekt zielt darauf ab, Kinder in Trockenfisch- und Metallfabriken vor gefährlichen Arbeitsbedingungen zu schützen. Das Projekt fördert nicht nur den Schutz der Kinder, sondern unterstützt sie auch mit Bildungsprogrammen und Sensibilisierungskampagnen, um ihre Zukunftsaussichten langfristig zu verbessern.
Bangladesch ist aufgrund des Klimawandels mit hohen Risiken und grossen Bedrohungen konfrontiert. Die begrenzten Möglichkeiten für körperliche Ertüchtigung und Sport im Freien beeinträchtigen das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen, insbesondere von Mädchen. Im Rahmen des Tdh-Projekts SPiRiT (Sports For Protection, Resilience and Transformation) werden vertriebenen Kindern und Jugendlichen über sportliche Aktivitäten Wissen und Fähigkeiten vermittelt, die sie befähigen, mit klimabedingten Herausforderungen umzugehen. Das Projekt fördert von Jugendlichen geleitete Initiativen, die zu nachhaltigen lokalen Lösungen beitragen und das Bewusstsein für Kinderschutz, Vertreibung und Klimakrise schärfen. Darüber hinaus stärkt das Projekt die Kapazitäten lokaler Sportakteure, um ein günstiges Umfeld für eine sichere und integrative Teilnahme an sportlichen Aktivitäten zu schaffen.
Reduktion von CO₂-Emissionen durch mehr Energieeffizienz
Das von Schweden finanzierte und von Swisscontact durchgeführte Projekt PROGRESS (Promoting Green Growth in the Ready-Made Garments Sector Through Skills) unterstützt Bekleidungsfabriken bei der Verbesserung ihrer Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards. Mit zusätzlichen Mitteln aus der Schweiz wird PROGRESS weitere vom Klimawandel betroffene Sektoren dabei unterstützen, die CO₂-Emissionen durch mehr Energieeffizienz zu reduzieren. Swisscontact setzt sich seit den 1970er-Jahren für eine nachhaltige Entwicklung in Bangladesch ein und will durch eine Zusammenarbeit mit anderen Schweizer NGO die Wirkung der jeweiligen Massnahmen im Kampf gegen den Klimawandel verstärken.
Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen von Klimawandel und Naturkatastrophen
Das vom Konsortium unterstützte SRK-Projekt JAMUNA (Joint Action for Mitigating Climate Uncertainties and Natural Adversities) zielt darauf ab, die lokalen Akteure zu fördern und die Widerstandsfähigkeit der Gemeinschaften im Einzugsgebiet des Flusses Jamuna gegen die Auswirkungen des Klimawandels zu stärken. Jamuna ist der zweitgrösste Fluss in Bangladesch. Er verursacht sehr oft Überschwemmungen, die zu zahlreichen Todesopfern, Zerstörungen und enormen Ernteschäden führen. Das Projekt stärkt die Resilienz der Gemeinschaften gegenüber klimabedingte Unsicherheiten und Katastrophen in der Region, indem es:
die Gemeinschaften durch neu erworbenes Wissen resilienter und anpassungsfähiger macht;
die Gemeinschaften befähigt, klimabedingte Katastrophen wirksam zu antizipieren, darauf zu reagieren und sie zu bewältigen;
lokale Akteure bei der Gestaltung des klimapolitischen Dialogs unterstützt.
Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder beseitigen
Im Distrikt Satkhira, der anfällig für Klimarisiken ist, kümmert sich Enfants du Monde (EdM) um gesundheitliche Probleme von Frauen und Kindern, die durch salzhaltiges Wasser, Hitze und eine mangelhafte Gesundheitsversorgung verursacht werden. Zu den Initiativen gehören die Sanierung von Trinkwasserquellen, die Bereitstellung kleinerer Infrastrukturen, die Einführung mobiler Gesundheitsdienste und Schulungen zum Kapazitätsausbau im öffentlichen Gesundheitswesen. Die lokale Organisation ESDO (Eco-Social Development Organization) und EdM arbeiten seit 2023 gemeinsam an der Stärkung der Resilienz in Bangladesch. Für die Nachhaltigkeit von Klimaanpassungsmassnahmen sind eine dauerhafte Unterstützung und der Austausch von Wissen entscheidend.
Menschen mit Behinderungen sind relativ stark von klimabedingten Katastrophen wie Wirbelstürmen, Sturmfluten, Versalzung und Überschwemmungen betroffen. CBM Global sucht gemeinsam mit besonders benachteiligten Personengruppen Lösungen, um dem Teufelskreis von Armut und Behinderung zu entrinnen und inklusive Gemeinschaften zu schaffen. Das Programm zur Verringerung des Katastrophenrisikos in Bangladesch konzentriert sich auf Massnahmen, bei denen Menschen mit Behinderungen mitberücksichtigt werden, z. B. der nachträgliche Bau von Rampen und hindernisfreien Zugängen in Wirbelsturm-Schutzbauten auf der Grundlage von Zugänglichkeitsprüfungen.
CBM Global stärkt die Resilienz von benachteiligten Gemeinschaftsmitgliedern, darunter Menschen mit Behinderungen, bei der Anpassung an klimabedingte Katastrophenrisiken und der Bewältigung der Auswirkungen. Das Programm unterstützt den Kapazitätsaufbau mit dem Ziel, die Rechte und den Schutz von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Dazu gehören Aktivitäten zur Existenzsicherung, die Verbesserung von Wertschöpfungsketten und Marktzugang, Massnahmen zur Anpassung an den Klimawandel, der Zugang zu staatlichen Massnahmen und die Beteiligung an Entscheidungsprozessen.
DEZA stellt bilaterale Zusammenarbeit mit Bangladesch ein
In der Wintersession 2024 haben die Eidgenössischen Räte Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit vorgenommen. In der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit erfolgt darum bis Ende 2028 der Ausstieg aus drei Entwicklungsprogrammen: Albanien, Sambia und Bangladesch. Die Schweiz plant, den sukzessiven Ausstieg aus der bilateralen Zusammenarbeit verantwortungsvoll zu gestalten, indem sie den Partnern und Behörden vor Ort genügend Zeit gibt, Projekte selbst zu übernehmen oder andere Geldgeber zu finden. Ziel ist es, die erzielten Fortschritte nachhaltig zu sichern.
Bangladesch hat in den vergangenen Jahren politische, soziale und wirtschaftliche Fortschritte gemacht, darunter die Verringerung der Armut. Seit 2015 stuft die Weltbank das Land als einkommensschwach-mittleres Land ein. Die Schweiz ist weiterhin mit einer Botschaft im Land vertreten. Die DEZA engagiert sich nach wie vor in Bangladesch mit humanitärer Hilfe für die Rohingya-Flüchtlinge und mit gezielten Programmen zur Verminderung von Klimarisiken und Migration.